Monday, April 5, 2010

ANGST.MACHT.RAUM. Teil 1: Pressetext (De)

ANGST. MACHT. RAUM. Teil I
Mit Videoarbeiten von Sadie Benning, Ming Wong und Rommelo Yu
Kuratiert von Viktor Neumann

ANGST. MACHT. RAUM. untersucht Mechanismen und Strategien der Generierung von Angst innerhalb der Ökonomie der Macht, angetrieben in territorialen, kulturellen und medialen Räumen als Orte von In- und Exklusion. Der im Senatsreservespeicher präsentierte erste Teil der Ausstellungsreihe fokussiert dabei Politiken der Konstruktion von Individualität und Andersartigkeit unter der Verwendung der Rhetorik der Angst.

Die herrschenden politischen und wirtschaftlichen Normalitätssemantiken produzieren ein Außen, welches es aufrecht zu erhalten gilt. Neoliberalen Maximen mit ihrer bedenklichen Vermengung von ökonomischen Funktionen und menschlicher Verwertung folgend, werden disziplinierende und kontrollierende Normierungsstrategien angewandt, um jegliches abweichende Verhalten als Bedrohung für die eigene Identität und Sicherheit zu stigmatisieren. Für die wenigen zugestanden Fluchtpunkte aus dem Regelwerk kann das Spiel mit der Abweichung leicht zu realen Ausschlüssen führen. Auf negativen Identitätskonstruktionen basierend, werden Ausgrenzungs-mechanismen - von der Prekarisierung und Marginalisierung bis hin zu einer Exklusion aus fast allen Kommunikationsbezügen – geschaffen. Die Beantwortung der Frage nach Widerständigkeiten ist offen.
ANGST. MACHT. RAUM. Teil I präsentiert Videoarbeiten, die sich dezidiert mit der Rolle des Subjekts innerhalb dieses Netzes auseinandersetzen:

Sadie Bennings erste Videoarbeiten – wie sie in der Kompilation Video Works Volume 1 (1989-90) versammelt sind – entstanden, als sie 15 Jahre alt war. Aufgenommen mit einer Fisher-Price Pixelvision-Kamera, welche lediglich pixelige Schwarz-Weiß-Bilder lieferte, kombinieren die jeweils nur wenige Minuten langen Videos experimentelle Narration, Performance, Found-Footage und Text. Als Video-Tagebuch angelegt und in der Intimsphäre ihres Jugendzimmers aufgenommen, präsentiert Benning unmittelbar und distanzlos die Komplexität einer Selbsterkenntnis. Die intimen Offenbarungen, teilweise spielerisch und humorvoll, doch meist mit einer schmerzlichen Aufrichtigkeit zwischen Sehnsucht, Verwirrung und Unbehagen, berichten im Laufe der Videos von der komplexen Entwicklung einer (sexuellen) Identität.

Ming Wongs Angst Essen/Eat Fear (2008) ist ein Reenactment von Fassbinders Angst Essen Seele Auf (1974), einer bitteren Liebesgeschichte zwischen der alternden Münchner Putzfrau Emmi und dem deutlich jüngeren marokkanischen Gastarbeiter Ali. Wong spielt alle Rollen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Nationalität, selber und rezipiert sämtliche Dialoge in gebrochenem Deutsch. Alle Figuren – im Kostüm des Drag - sind geprägt von einem Anderssein: Wong stellt die unterschiedlichen Hierarchisierungs- und Ausschlussmechanismen, die unlöslich mit der Konstitution von Geschlechtsidentitäten verbunden sind, in ihrer Verknüpfung humorvoll zur Diskussion.

Rommelo Yus Videoinsatllation Mike (2002) fokussiert den Körperbilder produzierenden und projizierenden Blick: Isoliert von seiner Identität und sozialen Rolle wird in einem komplett dunklen Raum nur langsam und schemenhaft die Projektion eines schwarzen Mannes sichtbar, die sich immer wieder dem Bild entzieht. Yu generiert eine unterschwellige Bedrohung und physische Beklemmung mittels des ambivalenten und offen gehaltenen Machtverhältnisses.

Videoarbeiten:
Sadie Benning: Videoworks Volume 1, 1989-90 DVD, 35:00 min, b/w, Sound
Rommelo Yu: Mike, 2002, 28,00 min., Digibeta auf DVD, Loop, Farbe und Sound
Ming Wong: Angst Essen / Eat Fear, 2008, 27,00 min., Digital Video Installation, Farbe und Sound

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